Life Sciences boomen. Entsprechend gross ist der Bedarf an Immobilien in dieser Branche. Jan Plückhahn, Vorstand BEOS und Head Real Estate Deutschland, und Alexander Bakhtiar, Senior Manager Corporate Solutions, BEOS, erläutern in ihrem Beitrag, welche Chancen und welche Herausforderungen in dieser Anlageklasse für Investorinnen und Entwickler stecken.

Erfolgsgeschichten wie die des Mainzer Unternehmens BioNTech haben gezeigt, dass Firmen aus den Branchen Medizin, Pharma, Biotechnologie, Biophysik und ähnlichen Bereichen die Entwicklung ganzer Städte prägen können.

Life Sciences sind eines der wichtigsten Wachstumssegmente in den europäischen Volkswirtschaften. In einem Ranking der Beratungsgesellschaft PwC aus dem vergangenen Jahr standen Life-Science-Immobilien auf dem zweiten Rang der zukunftsstarken Nutzungsklassen – und damit noch vor Datenzentren. Aber welche Chancen und Herausforderungen bedeutet das für die Immobilienbranche tatsächlich?

Chance 1: steigende Nachfrage nach Mietlösungen

Die Branchen, die gemeinsam das Life-Science-Segment bilden, sind mitten in einem tiefgreifenden Strukturwandel: Der technologische Fortschritt führt dazu, dass viele notwendige Geräte immer kleiner und leistungsstärker werden. In der Folge agieren neben Grosskonzernen auch immer mehr kleinere und mittelständische Unternehmen sehr erfolgreich auf diesem Markt – und das bei deutlich geringerer Fläche, als sie noch vor zehn Jahren nötig gewesen wäre.

Auch das Thema «New Work» macht vor Unternehmen mit Life-Science-Schwerpunkt nicht Halt: Interdisziplinäre und standortübergreifende Zusammenarbeit setzt sich immer stärker durch. Dazu sind moderne Mischnutzungskonzepte wichtig, die eine intelligente Kombination unterschiedlichster Flächentypen bieten – vom Labor über den Konferenzraum und das Backoffice bis hin zu Gemeinschaftsflächen.

Anstelle von hochspezialisierten Built-to-Suit-Immobilien, die jahrzehntelang im Firmeneigentum verbleiben, gewinnen Mietlösungen immer stärker an Relevanz. Damit verbunden ist auch, dass moderne Life-Science-Immobilien als Multi-Tenant-Objekte konzipiert werden. Allerdings gibt es v.a. an etablierten Lagen und Clustern zurzeit nicht genügend (auf Nutzerbedürfnisse ausgelegte) Mietflächen, um den Bedarf der kommenden Jahre abzudecken. Dementsprechend gross sind die Chancen für Immobilienentwickler und Investorinnen.

Chance 2: Life-Science-Unternehmen sind stabile und standorttreue Mieter

In der Regel zeichnen sich Life-Science-Unternehmen durch einige positive Gemeinsamkeiten aus, die sie zu sehr stabilen Mietern machen. Oftmals handelt es sich um bonitätsstarke Pharmakonzerne oder gut durchfinanzierte Start-ups, für die die Mietausgaben nur einen sehr geringen Teil ihres gesamten Budgets ausmachen. Allerdings sind die Unternehmen stark abhängig von ihren Forschungs- und Entwicklungserfolgen, weshalb vor einer Vermietung das Geschäftsmodell eingehend analysiert werden sollte.

In den meisten Fällen bringen diese Unternehmen einen klaren gesellschaftlichen Vorteil, indem sie Produkte und Lösungen entwickeln, die die Lebensqualität oder gar die Lebensdauer von Menschen erhöht. In einer Zeit, in der die soziale Nachhaltigkeit immer stärker zum relevanten Investmentkriterium wird, ist dies ein wichtiger, wertbestimmender Faktor.

Darüber hinaus zeichnen sich Life-Science-Unternehmen aufgrund ihrer hohen Nutzungsanforderungen, ihres langfristigen Forschungsansatzes und des allgemeinen Flächenmangels oft durch eine hohe Standorttreue aus. Eine wichtige Rolle spielt dabei, dass sich die Flächen trotz des technologischen Fortschritts nicht substituieren lassen, denn die relevanten Analysen und Experimente können nun einmal nicht im Homeoffice durchgeführt werden. Und anders als im Einzelhandel können die Geschäftsmodelle (und die damit in Verbindung stehenden Flächen) nicht durch Konkurrenten aus dem Internet ersetzt werden.

Chance 3: Life-Science-Flächen passen gut in moderne Campuslösungen

Life-Science-Flächen fügen sich ideal in moderne Campuslösungen ein. Keine Frage: Ein effizientes Sicherheitskonzept ist gerade bei Laboren eine absolute Voraussetzung für die erfolgreiche Ansiedlung von Life-Science-Unternehmen. Gleichzeitig können bei den gemeinsam genutzten Flächen starke Synergieeffekte auftreten – auch branchenübergreifend. Beispielsweise ist die Nähe zu Universitäten und Forschungseinrichtungen sehr wichtig, allein schon deshalb, um gut ausgebildete Fachkräfte anzuziehen. Das trifft aber genauso auf die IT-Branche, die Kommunikationstechnologie sowie die Automobil-, Luft- und Raumfahrtindustrie zu.

Tatsächlich hat sich gezeigt, dass sich bestehende Standorte bei den passenden Lagevoraussetzungen über die Jahre hinweg stärker in Richtung Life Sciences entwickeln können. Schliesslich kann eine Life-Science-Fläche an vielen Standorten entstehen, an denen auch eine Light-Industrial-Einheit oder sogar ein Büroensemble realisierbar wäre. Ist dieser Weg jedoch einmal eingeschlagen, lässt sich die Zeit nur schwer zurückdrehen.

Herausforderung 1: einmal Life Sciences, immer Life Sciences

Life-Science-Flächen sind nur in begrenztem Mass drittverwendungsfähig. Zwar ist es möglich, z.B. eine aufgegebene Produktionshalle als Life-Science-Objekt neu zu positionieren. Hierfür fallen jedoch umfangreiche Investitionen an, unter anderem in eine sehr leistungsstarke Gebäudeinfrastruktur und eine erhöhte Sicherheitstechnik. Angesichts dieser sehr hochwertigen Nutzung sind die Mieter dazu bereit, höhere Quadratmeterpreise zu zahlen, als das für die meisten anderen Flächentypen realistisch wäre.

Aber wie immer stecken die Chancen und Risiken im Detail, denn Mietlösung ist nicht gleich Mietlösung. Entscheidend ist die Schnittstelle zwischen Nutzerin/Mieterin und Vermieterin/Eigentümerin. Je nachdem, wo und wie diese Schnittstelle zugeordnet wird, birgt sie für beide Seiten Chancen und Risiken in der Errichtung, im Betrieb und eben auch im Hinblick auf eine Zweit- oder gar Drittverwendungsfähigkeit.

Dementsprechend unwahrscheinlich ist es, dass sich solche Immobilien nach Auslaufen des Mietzyklus ökonomisch sinnvoll umrüsten lassen. Deshalb sollte die Eigentümerin hundertprozentig von den langfristigen Zukunftsaussichten der Immobilie als Life-Science-Standort überzeugt sein.

Herausforderung 2: komplexes Asset- und Property-Management

Die Anforderungen der Mieter sind aber nicht nur während der Bauphase, sondern auch im täglichen Betrieb sehr hoch. So gilt es, die Versorgung, insbesondere die der technischen Anlagen, unterbrechungsfrei zu organisieren und das Ausfallrisiko zu minimieren.

Eine lückenlose Wartung und Instandhaltung sind unerlässlich. Ebenso braucht es ein umfassendes Verständnis für die branchenbezogenen Prozesse, um dem Mieter auf Augenhöhe zu begegnen und seine Bedarfe richtig zu verstehen.

Herausforderung 3: energieintensiver Betrieb

Ähnlich wie klassische Produktionsimmobilien sind Life-Science-Immobilien sehr energieintensiv im Betrieb. Eine leistungsstarke Kryotechnik (Kühllager) im 24-Stunden-Betrieb ist nur eines von vielen Beispielen. Dementsprechend wichtig ist die Frage nach der Energiebilanz der jeweiligen Immobilien.

Je durchdachter und effizienter das Energiekonzept ist und je mehr Strom beispielsweise durch Photovoltaikanlagen direkt vor Ort produziert werden kann, desto grösser ist die Ersparnis für die Mieter bei den Betriebskosten. Und umso wichtiger ist es, dass Immobilienentwicklerinnen und Asset Manager ihre gesammelten Erfahrungen im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit bündeln und ein passendes Gesamtkonzept anbieten.

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